Strategie dominiert Big Data

Steht Big Data hinter den erfolgreichsten Geschäftsmodellen und Unternehmen der letzten Jahre?

Es vergeht kein Tag ohne Studie/Werbung zu den Erfolgen, die durch Big Data erzielt werden können. Ein häufig betontes Hauptargument vieler Big Data-Anbieter ist die unglaubliche Datenmenge, die die erfolgreichsten Unternehmen, von Google bis Facebook, sammeln und zu Geschäftszwecken nutzen.

Für Unternehmen soll Big Data vor allem einem Zweck dienen, nämlich mehr Umsatz zu generieren. Die Auswertungen der Daten sind die Grundlage für Predictive Analytics. Aus Mustern, die für die Vergangenheit erkannt wurden, zieht man (automatisiert) Schlüsse über das zukünftige Kaufverhalten von Kunden, Preisbewegungen bei Rohstoffen oder Anfragen an die Support-Hotline. Kritisch daran sind zwei Faktoren.

Bekannte Muster der Vergangenheit müssen nicht zwangsläufig die Zukunft beschreiben. Der Finanzsektor ist hier ein Paradebeispiel. Unter jeder Werbung für einen Fonds muss sinngemäß der Satz stehen: „Wertentwicklungen der Vergangenheit haben keine Aussagekraft für die Zukunft“. Trendbrüche und Regimewechsel werden nicht beachtet. 2022 findet die Fußball-WM im Winter statt und das Kaufverhalten in der Vorweihnachtszeit dürfte untypisch im Vergleich zu den Vorjahren sein. Die Tagesschau wird nicht mehr zwingend um 20 Uhr geschaut, sondern On-Demand oder durch Einzelnews über den Tag komplett ersetzt. Die wirklich interessanten Veränderungen können nicht oder nur schwer erfasst werden, umso weniger, wenn sie in der Zukunft liegen.

Ein zweiter Kritikpunkt betrifft die Motivation des Einsatzes. Während Big Data und Mustererkennung für die Navigation auf Straßen allen Teilnehmern einen Vorteil bietet, sind gerade in Wettbewerbssituationen ausschließliche Big Data-Lösungen wertlos. Wenn jeder die gleichen Informationen hat, ist kein Mehrwert vorhanden. Vielmehr sind Big Data und Predictive Analytics bereits zum „Rohstoff“ geworden, der jedem zur Verfügung steht.

Um allerdings im Wettbewerb zu bestehen, bedarf es anderer Mittel. Das Geschäftsmodell und eine clevere Strategie sind entscheidend. In Bezug auf Daten kann das bedeuten, Datenquellen zu erschließen, die bisher noch nicht genutzt werden („Alternative Data“), Daten mit anderen Methoden, vor allem auch einer qualitativen Betrachtung, auszuwerten oder eine Kombination aus beidem.
 

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Um die Eingangsfrage aufzugreifen: Ja, es gibt kaum einen großen Konzern, der die Verarbeitung von riesigen Datenmengen nicht nutzt. Den Kausalzusammenhang sollte man aber nicht verdrehen. Der Geschäftserfolg kann fast immer ohne Big Data eintreten.

Google begann als Suchmaschine, die auf innovative Weise das Internet indexierte, nachdem Platzhirsche wie AOL und Yahoo bereits riesige Infrastruktur und Nutzerbasis hatten.

Facebook konnte über den Netzwerkeffekt erreichen, dass die User Mitglied des Portals werden mussten, um im Freundeskreis aktuell zu bleiben. Whatsapp und Linkedin schafften es dennoch fast im gleichen Umfang Nutzer zu generieren, weil sie denselben Netzwerkeffekt thematisch differenziert besetzen.

Amazon hat es mit hervorragender Logistik, cleverer Preispolitik (Amazon Prime) und einer Marktplatzfunktion geschafft, der Gigant im Online-Shopping zu werden. Dennoch funktionieren daneben Online-Shops, die eine Story vermitteln, einen lokalen Bezug haben oder auf besondere Weise der Zielgruppe begegnen.

Im Finanzmarktsektor setzten sich in den letzten Jahren ETFs durch. Die Produkte sind einfach, transparent, günstig und daher eine Erfolgsstory. FinTechs setzen ETFs mit Vorliebe ein. Auch wenn ETFs den Fonds ein gutes Stück vom Kuchen abgegriffen haben, findet man unter aktiven Fonds immer noch solche, die neben guter Wertenwicklung auch hinreichend Kunden erreichen.

Bei Wachstum und Kostenersparnis können Big Data und Predictive Analytics unterstützen. Umso mehr, wenn eine qualitative Betrachtung hinzugenommen wird, die die Annahmen kritisch betrachtet, eigene trifft und den Algorithmen/dem Machine Learning nicht blind vertraut. Eine innovative Geschäftsidee mit durchdachter Umsetzungs-Strategie dominiert gegenüber der undifferenzierten Verwendung von Big Data.