Auf zahlreichen FinTech-Events im abgelaufenen Jahr wurden in unzähligen Pitches Geschäftsmodelle oder zumeist nur Handy-Apps vorgestellt, die das Bankgeschäft revolutionieren oder gar Banken überflüssig machen sollen. Dass die Platzhirsche der Branche unter Innovationsdruck stehen und von vielen Seiten angegriffen werden ist unstrittig. Das alleine reicht aber nicht aus, um diese etablierten Unternehmen abzuschreiben. Eine langfristige Unternehmensstrategie ist dennoch von Nöten
Was haben Kodak, Neckermann und Blockbuster gemeinsam? Alle drei Firmen waren Marktführer, augenscheinlich gut für einen Wandel in ihrer Branche gerüstet und hatten den Luxus einer steigenden Nachfrage nach ihren Leistungen.
Kodak war Vorreiter bei der digitalen Fotografie und hielt wichtige Patente. Blockbuster hatte Millionen Kunden in seinen Läden, die Filme und Videospiele ausliehen. Neckermann war in jedem deutschen Haushalt mit Katalogen vertreten und eine der beliebtesten Marken überhaupt.
Alle drei Firmen verschwanden in etwa 2011/2012 vom Markt. Die Ursachen können nicht in den angebotenen Leistungen liegen, denn es wird mehr fotografiert als je zuvor, die Nachfrage nach Filmen und Serien on Demand ist seit Jahren stark steigend und dass der Versandhandel seit Jahren boomt, müsste eigentlich auch nicht erwähnt werden.
Obwohl die drei Unternehmen theoretisch perfekt gerüstet waren, da sie direkt beim Kunden präsent waren und durch laufende Umsätze und Zugang zu Kapitalgebern die finanziellen Mittel hatten, wurden sie vom Markt verdrängt.
Verbindlichkeit
Was allen drei fehlte, war die Festlegung auf eine neue Strategie. Ein Wandel weg vom etablierten hin zu einem zukunftsfähigen Geschäftsmodell. Das ist gar nicht so leicht und wir sehen das derzeit ebenso in der Automobilindustrie.
Volkswagen hat sich auf den Wandel zu Elektro-Autos festgelegt und entlässt Mitarbeiter während gleichzeitig neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Dennoch ist es ein langfristiger Plan, der im Vergleich zum laufenden Geschäft mit Verbrennungsmotoren wenig in den Zahlen des Unternehmens auffällt. Wie soll so ein Konkurrent wie Tesla, der nicht die „Altlasten“ eines überholten Geschäftsmodells hat, eingeholt werden?
Die Festlegung auf eine Digitalisierungsstrategie in der Finanzbranche, die das gesamte bisherige Geschäftsmodell in Frage stellen könnte, scheitert ebenso am Umsetzungswillen. Die gleichen Argumente können herangezogen werden, wie in vielen anderen Branchen.
Auf Vorstandsebene ist die Angst vor Kannibalisierung des aktuellen Geschäfts gegenwärtig. Während der Transformation müssen den Eigentümern der Bank Verluste ausgewiesen werden und das mit dem Ziel, dem aktuellen Geschäft Konkurrenz zu machen für gegebenenfalls dauerhaft niedrigere Margen. Auf dieser Ebene bei großen Konzernen mahlen die Mühlen meist langsam, denn Entscheidungen in diesem Umfang müssen von Eigentümern über Betriebsrat bis hin zur Politik abgestimmt werden. Eine Zustimmung ist dann immer noch nicht sicher.
Letztendlich sind auch die Zufriedenheit mit der aktuellen Situation und der gewohnte Komfort ein Hinderungsgrund auf jeder Ebene eines Unternehmens. Die Branchen und Unternehmen, die am ehesten angegriffen werden, sind diejenigen, bei denen eine hohe Marge abzugreifen ist. Diese Unternehmen sind oft seit Jahrzehnten etabliert, genießen oder genossen Regulierungsschutz oder sind/waren de facto Monopole oder Oligopole. Nur den geringsten Teil solcher Belegschaften bekommt die Unternehmensführung für einen notwendigen Wandel motiviert. Mannigfaltige Herausforderungen bestehen, die schon mit der Überzeugung für die Notwendigkeit einer Strategieänderung beginnen.
Besonderheiten der Finanzbranche
Aber die Finanzbranche ist nicht wie jede andere Branche. Der Umfang und die Details der Regulierung mögen absurd wirken, schützen aber die etablierten Anbieter und schieben die Angreifbarkeit zumindest zeitlich auf oder bedingen, dass nur Teile der Wertschöpfungskette angreifbar sind.
Bei den oben erwähnten Pitches, wurde nicht selten auf Uber als Vorbild verwiesen. Die App stellt Taxifahrten zur Verfügung. Das war oder ist – je nach Land – auch eine regulierte Dienstleistung. Anders als für die meisten Leistungen in der Finanzbranche handelt es sich bei einer Taxifahrt um eine Leistung, die zwei Parteien aushandeln. Der regulierte Taxibetrieb fährt einen Kunden.
Wenn man hingegen als Privatperson einen Fonds kaufen will, nimmt ein Prozess über viele Parteien Fahrt auf. Zuerst muss ein Konto bei einer Bank (reguliert) eröffnet werden, über die der Fonds gekauft werden kann. Wird der Kunde bei der Bank beraten, sind seine Risikomerkmale zu prüfen und aufzunehmen. In Folge kann der Fonds gekauft werden, sofern er wiederum reguliert ist (UCITS, keine nachteilige Besteuerung). Damit der Kauf erfolgen kann, muss die Kapitalverwaltungsgesellschaft (regulierte Partei) den Auftrag zum Kauf der Fondsbestandteile durch den Fondsmanager (regulierte Partei) an einer Börse (regulierter Marktplatz) erhalten. Danach werden die Bestandteile bei einer Depotbank (regulierte Partei) eingebucht.
Natürlich gibt es hierzu Automatisierungen und Straight-Through-Processing, es ändert aber nicht die Tatsache, dass ein potenzieller Angreifer dieses Konstrukt erst einmal abbilden muss oder eine Alternative bieten muss, die Regulierung berücksichtigt oder elegant umschifft.
Wandel der Finanzriesen
Die Finanzriesen werden merken und tun dies teilweise schon, dass sie Handlungsbedarf haben. Sie erkennen, dass ihre Kernleistung stark IT getrieben ist und sein muss. Die Bankleistungen, die Jahrzehnte hohe Margen abwarfen und dies nun nicht mehr tun, sind zumeist komplett automatisierbar. Prozess- und Software-Lösungen werden Kerngeschäft, insbesondere Lösungen, die nahe am Kundenbedarf sind.
In dieser Erwartung wird die erste Welle der Veränderung am Anbietermarkt die IT-Dienstleister betreffen, die bisher schon die Finanzbranche beliefern und solche, die neu aufkommen. Banken, Versicherer und Asset Manager kaufen diese auf, um die Leistung zu internalisieren oder einen potenziellen Konkurrenten vom Markt zu nehmen. Umgekehrt werden sicherlich auch einzelne IT-Firmen als Käufer im Finanzsegment auftreten.
Vermögensverwalter und Asset Manager sollten diese Tatsache genauso erkennen. Das sehen wir aber bisher nur in einem Umfang, der kaum erwähnenswert ist. Stückwerk oder inkrementelle Verbesserungen sind bei einer Branche im Wandel nicht ausreichend.
Ausblick
Partnerschaften, kleine Zukäufe und Spielwiesen. Letztendlich reicht dieses Probieren, das neben dem etablierten und angreifbaren Geschäftsmodell stattfindet, nicht. Nur ein verbindliches, nachhaltiges Festlegen auf ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell kann erfolgreich sein. Alle anderen Anbieter, die zwar die Finanz- und Humankapital-Ressourcen haben, werden angreifbar und öffnen Tür und Tor für Mitbewerber, also sowohl für etablierte Konkurrenz als auch für neue Marktteilnehmer wie FinTechs.
Die aktuelle Situation ist sicherlich in Zügen vergleichbar mit dem Internet-Hype Ende der 90er Jahre, wenn auch nicht in annähernd gleichem Umfang. Viel Kapital wird in neue Technologien, Geschäftsmodelle und Partnerschaften investiert werden, um die Digitalisierung im Finanzwesen voranzutreiben.
Dabei wird der Großteil der investierten Summen, wie auch beim Internet-Hype, niemals eine Rendite abwerfen und sowohl etablierte Finanzriesen wie auch Startups in die Knie zwingen. Dennoch werden sich neue Technologien und Prozesse durchsetzen und beim Kunden zur Selbstverständlichkeit werden.
Anbieter, die jetzt noch nicht zwingend auf dem Radar sind, werden die neuen Platzhirsche. Mit cleveren Digitalisierungs- und temporär auch mit Abwehr-Strategien können etablierte Anbieter, die jetzigen Platz-hirsche, darunter sein.
Das gilt in nahezu gleichem Maße für die Vermögensverwaltung und -Beratung, deren Schwerpunktgeschäfte, also die Kundenakquise, Beratung und Portfoliokonstruktion von FinTechs angegriffen werden können.
Bei etablierten kleinen und großen Vermögensverwaltern wird zu oft ein Sammelsurium an Software und externen Dienstleistern genutzt und die Ablaufprozesse sind nicht effizient. Selbst wenn hier eine Optimierung zu erreichen ist, wird die Kernleistung für alle Kunden, die keine „manuelle“, individuelle Beratung erhalten können, an die IT-Dienstleister ausgelagert.
Dies ist keine dauerhaft erfolgversprechende Unternehmensstrategie. Ein stärkerer Fokus auf eine ganzheitliche Lösung, die am Ende durch Zukauf oder Erstellung im Haus erreicht wird, ist notwendig.
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